Die Literatur der Weimarer Zeit literaturgeschichtlich darzustellen, scheint nahezu unmöglich. Die ideologische Zersplitterung der Gesellschaft und ihrer einzelnen Schichten und die damit verbundene unüberschaubare Vergrößerung des literarischen Marktes, der vielfältige Leseinteressen zu bedienen hatte, lässt den Traditionsstrom der Literatur sich noch weiter differenzieren, als es schon um die Jahrhundertwende der Fall war. Eine Übersicht lässt sich indessen gewinnen, wenn man von der
Polarität ausgeht, die das politische und das geistige Leben in der Weimarer Republik beherrschte. Eine politische Linke, die in sich noch einmal gespalten war in die Verteidiger der parlamentarisch-repräsentativen Demokratie und die Anhänger eines basisdemokratischen Rätesystems, stand in permanenter Auseinandersetzung einer Rechten gegenüber, die ihre Ablehnung der demokratischen Verfassung offen bekundete. Von ihrer ideologischen Grundhaltung her war die Linke rationalistisch ausgerichtet und hatte ihre Wurzeln in der
Aufklärung, während die Rechte einen Irrationalismus pflegte, der in der
Romantik wurzelte. Von den konservativen Literaten wurde der gesamte westeuropäische Zivilisationsgedanke mit seinen Demokratievorstellungen als ein Weg abgelehnt, der mit deutschen Traditionen nicht zu vereinbaren sei. Kennzeichnend für die Zeit der Weimarer Republik ist, dass sich die beiden politisch-geistigen Richtungen in kompromissloser Radikalität bekämpften. Das von diesem Streit bestimmte öffentliche Leben führte zu einem Aufblühen der publizistischen
Gebrauchsliteratur. Es war die hohe Zeit der Zeitschriften und Zeitungen (z.B. „Die Weltbühne" von Carl von Ossietzky und
Kurt Tucholsky oder „Die Fackel" von
Karl Kraus), wozu als neue Medien der Rundfunk und der
Film kamen. Auch das Kabarett erlebte in diesen kulturell höchst bewegten Zeiten der „Roaring Twenties" seine erste Blütezeit.
Aufklärerische Absichten verfolgten die großen Gesellschaftsromane dieser Zeit, allen voran
Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz". Das Bestreben dieser
Romane, die Kräfte und Entwicklungen im Individuum und in der Gesellschaft aufzuzeichnen, ohne dabei tradierte Sinndeutungen und Wertsetzungen als verbindlich übernehmen zu können, machte ein von Reflexionen durchzogenes, subjektiv geprägtes Schreiben nötig. Der moderne Roman mit seinen komplexen, nicht leicht zu überblickenden Strukturen entfaltete sich in einer Reihe bedeutender, höchst eigenständiger Werke.
Ein großer Teil der Literatur war in Reaktion auf den
Expressionismus von Nüchternheit und kühl-distanzierter Betrachtung der Wirklichkeit bestimmt.
Neue Sachlichkeit war das Stichwort, mit dem diese Schreibweise bezeichnet wurde. Dazu gehört neben publizistischen Formen, z.B. der
Reportage, auch die Gebrauchslyrik
Erich Kästners und
Bertolt Brechts. Es gab indessen auch Versuche, den
Expressionismus fortzusetzen und sein Verständnis von Sprache als frei verfügbarem Material, losgelöst von den Konventionen des Alltagsgebrauchs und den grammatischen Normen, ins Extrem voranzutreiben. Mit seinem Spiel der Sprachlaute, Wörter und Wortkombinationen begründete der
Dadaismus eine Literaturrichtung, die bis heute in immer neuen Sprachkunstexperimenten und Lautgebilden ihre Fortsetzung gefunden hat.
Thematisch auffällig ist in der Literatur der Weimarer Republik neben der stärkeren Einbeziehung aktueller gesellschaftlich-politischer Inhalte die Verarbeitung des Krieges. Allerdings blieben die Texte, in denen der Krieg, seine Urheber und Nutznießer kritisch dargestellt wurden, in der Minderheit, obwohl sie zum Teil eine breite Wirkung erzielten, wie zum Beispiel
Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues".