höfisch-ritterliche Liebeslyrik des Mittelalters
Die
Lyrik des Minnesangs war wie die ritterliche
Epik adlige Gesellschaftsdichtung des
Mittelalters. Beide wurden im Rahmen des höfischen Festes den versammelten Damen und Herren vorgetragen und bestätigten den Anwesenden ihren Wert und ihre Bedeutung in der idealistisch überhöhten Darstellung von Standesmitgliedern und ihres vorbildlichen Verhaltens. Es handelte sich in dieser Literatur keineswegs um Abbilder realen Lebens; kein Ritter und keine adlige Frau entsprachen in ihrem konkreten Dasein den literarischen Helden und „hohen frouwen“. So muss man auch die komplizierte, manchmal gekünstelt wirkende Grundkonstellation des Minnesangs in seiner rein erzieherischen Funktion verstehen.
Der ritterliche Sänger wirbt um die Gunst einer Dame, von der er weiß und erwartet, dass sie sein Werben nicht erhört, da sie die Ehefrau eines hohen Herrn, oft seines Dienstherrn, ist. Die Unerfüllbarkeit seines Strebens treibt ihn zu immer neuen Steigerungen in seinen Liebesbekenntnissen und in der Anbetung der Schönheit seiner Auserwählten, zu deren Wert und Würde es aber eben gehört, zu ihm ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen ermutigender Nähe und abweisender Distanz aufrechtzuerhalten. Die dadurch vermittelte Verfeinerung der Sitten für Mann und Frau trug zur Exklusivität des eigenen Standes in einem allgemein noch stark von der Erfüllung elementarer Lebensbedürfnisse geprägten Dasein bei.
Auch die
Lieder, die sich von dem subtilen Liebeskonzept der so genannten „hohen Minne“ abwenden und der unkomplizierten Liebe einer „niederen Minne“ das Wort reden, bleiben an den höfischen Verwendungszusammenhang gebunden und stellen dort eine provokante, erfrischende Abwechslung dar, ohne in ihrer Intention etwas grundsätzlich anderes als Beitrag zur ritterlichen Selbstverständigung zu sein.