Romantik (ca. 1795 – ca. 1840)

Ende des 18. Jahrhunderts lässt sich ein auffälliger Mentalitätswandel beobachten. Der Vernunftglaube der Aufklärung und das Konzept einer ästhetischen Erziehung, wie es die Weimarer Klassik prägte, werden radikal in Frage gestellt. In mancher Beziehung knüpft das neue Denken und Weltverstehen an die Ideale des Sturm und Drang an. Das Gefühl wird wieder als die wichtigste menschliche Fähigkeit gefeiert. Es gilt nicht länger, die Welt zu erkennen, um vernünftig-zweckvoll in ihr zu handeln, sondern sie möglichst intensiv zu erleben. Diese Intensivierung ist zu erreichen, indem die Welt poetisiert oder – mit einem Wort der Zeit – „romantisiert“ wird. Der Dichter Novalis beschrieb das Verfahren so: „Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Aussehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.“ Man kann diese Verwandlung der Alltagswelt ins Wunderbare als kollektive Reaktion auf eine Krisensituation verstehen. Der Verlauf der Französischen Revolution, die napoleonischen Kriege und die Wiederherstellung des alten absolutistischen Systems in Europa nach Napoleons Sturz zerstörten für die bürgerlichen Intellektuellen alle Hoffnung auf eine Umgestaltung der Verhältnisse aus den Ideen der Aufklärung heraus. Hinzu kam die Erfahrung, dass in der beginnenden Industrialisierung der Mensch in zunehmendem Maße nur noch in seinem ökonomischen Nutzwert gesehen wurde. So wurde die Selbstverwirklichung des Individuums als Prozess in und mit der Gesellschaft von den Schriftstellern der Romantik nicht einmal mehr als Utopie verkündet, wie das noch in der Klassik geschehen war. Der Dichter/Die Dichterin sah sich daher nicht mehr als Ratgeber und Erzieher seiner Zeitgenossen, sondern als Außenseiter. Seine Sehnsucht richtete sich auf eine idyllisch verklärte, ursprüngliche Natur, auf ein ebenso idyllisch verklärtes Leben des einfachen Volkes und auf ein nostalgisch als geordnete, heile Welt idealisiertes Mittelalter. Sehnsucht kann überhaupt als das Gefühl aufgefasst werden, das die Romantik kennzeichnete: Sehnsucht hat kein benennbares Motiv, sie kann damit auch nie an ein Ziel kommen. Vor diesem Hintergrund wird die Vorliebe der Romantiker für lyrisches Sprechen, namentlich für Volksliedsammlungen und volksliedhafte Gedichte, für Märchen (Sammlung der „Kinder- und Hausmärchen“ durch die Brüder Grimm) und fantastische Erzählungen verständlich. Die Beschäftigung mit mittelalterlicher Dichtung wie dem Minnesang und dem Nibelungenlied ließ die philologische Erforschung der deutschen Sprache und Literatur entstehen; die Germanistik trat neben den Philologien der klassischen Sprachen auf den Plan.

Epoche und geschichtliche Hintergründe

Wichtige Autorinnen/Autoren und Werkes

Jean Paul, d. i. Johann Paul Friedrich Richter (1763–1825): Siebenkäs; Flegeljahre (Romane)
Friedrich Hölderlin (1770–1843): Hymnen und Gedichte
Rahel Varnhagen von Ense (1771–1833): Briefe und Tagebuchaufzeichnungen
Novalis, d. i. Georg Philipp Friedrich von Hardenberg (1772–1801): Heinrich von Ofterdingen (Roman); Hymnen an die Nacht (Gedichte und rhythmische Prosa)
Ernst Theodor Amadeus Hoffmann (1776–1822): Die Elixiere des Teufels; Lebensansichten des Katers Murr (Romane); Nachtstücke; Die Serapionsbrüder (Erzählsammlungen)
Heinrich von Kleist (1777–1811): Amphitryon; Der zerbrochene Krug (Komödien); Penthesilea; Prinz Friedrich von Homburg (Dramen); Michael Kohlhaas (Erzählung)
Clemens Brentano (1778–1842) und Achim von Arnim (1781–1831): Des Knaben Wunderhorn (Volksliedersammlung)
Heinrich Heine (1797–1856): Das Buch der Lieder (Gedichte)
Karoline von Günderode (1780–1806): Gedichte und Fantasien (Gedichtsammlung)
Bettina von Arnim (1785–1859): Goethes Briefwechsel mit einem Kinde (Briefsammlung)
Jakob Grimm (1785–1863) und Wilhelm Grimm (1786–1859): Kinder- und Hausmärchen
Joseph Freiherr von Eichendorff (1788–1857): Aus dem Leben eines Taugenichts; Das Schloss Dürande; Das Marmorbild (Erzählungen); Gedichte