Sonett

(von altfranz. sonet „kleines Lied")
eine seit dem 17. Jh. in fast allen europäischen Literaturen feststehende Gedichtform mit 14 Zeilen, die sich in zwei vierzeilige (Quartette) und zwei dreizeilige (Terzette) Strophen gliedern. Quartette und Terzette haben meist ein unterschiedliches Reimschema, häufig abba und cdc. Im Barock war das gängigste Versmaß der Sonette der Alexandriner (6-hebige Jamben).
Die innere Struktur wird gern dialektisch angelegt, d.h. mit These und Antithese in den Quartetten sowie einer Synthese in den Terzetten. Häufig enthält der letzte Vers die entscheidende Aussage. Diese in der Barockzeit vielfach angewandte strenge Form (z.B. bei Gryphius) wurde bis zur Gegenwart häufig nachgeahmt, variiert oder auch parodiert.

Aufbau, Form und inhaltliche Struktur

Beispiel

Rainer Maria Rilke
Archaïscher Torso Apollos (1908)

Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,

sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;

und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.


Aus: Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Hrsg. von E. Zinn. Frankfurt/M. (Insel) 1955.