Zeit im Erzählen

Im Hinblick auf die Zeit muss man fragen, ob und wie deutlich die erzählte Geschichte historisch verortet ist, ob sie sich also klar erkennbar einer historischen Situation zuordnen lässt, und welche Bedeutung der zeitliche Rahmen für das erzählte Geschehen hat. Unter dem Aspekt der Erzähltechnik ist auch zu fragen, wie das Verhältnis von Erzählzeit und erzählter Zeit gestaltet ist.
Zur Zeitgestaltung gehört weiterhin der Umgang des Erzählers mit der Chronologie des erzählten Geschehens. Er kann sich streng an die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse halten, also chronologisch erzählen, er kann aber auch in Vorausdeutungen nach Belieben weit vorgreifen, und er kann in Rückblenden Vorgeschichten und Voraussetzungen in die laufende Handlung einfügen. Es können auch mehrere Parallelhandlungen in einer Art Montagetechnik ineinander verschachtelt werden, sodass komplizierte, schwer zu überblickende Erzählstrukturen entstehen.

Erzählzeit und erzählte Zeit - Gestaltungsmöglichkeiten

Erzählzeit
die Zeit, die der Erzähler (fiktiv) für die Wiedergabe seiner Geschichte braucht, d.h., die der Leser zur Lektüre benötigt (abhängig vom Umfang des Buches und der Lesegeschwindigkeit)

Erzählte Zeit
der Zeitraum, über den sich die erzählte Geschichte erstreckt (z.B. Jahre oder Jahrhunderte bei einem historischen Roman, ein Tag bei Ulysses von Joyce)


Zeitraffendes Erzählen
Die erzählte Zeit ist um vieles größer als die Erzählzeit, d.h., die erzählte Geschichte überbrückt große Zeiträume.

Zeitdehnendes Erzählen
Das erzählte Geschehen wird so ausgebreitet, dass die Erzählzeit die erzählte Zeit überlagert.

Zeitdeckendes Erzählen
Erzählzeit und erzählte Zeit sind annähernd identisch (vor allem bei szenischem Erzählen).