Lyrisches Ich

Wie zu jedem Erzähltext ein Erzähler/eine Erzählerin gehört, so gehört auch zu jedem Gedicht eine Sprecherin/ein Sprecher, die/der nicht mit dem Autor oder der Autorin gleichzusetzen ist. Oft stellt sich dieser Sprecher als ein Ich - das so genannte lyrische Ich - vor, das seine Gefühle, Beobachtungen, Reflexionen und Gedanken so mitteilt, dass die Leser/innen sie mitempfinden können.
Der Sprecher kann aber auch in einem „Wir“ aufgehen, das in dem Gedicht spricht, oder gar nicht mehr direkt in Erscheinung treten, also gar nicht von sich selbst sprechen, sondern etwas beobachten, beschreiben oder über etwas nachdenken.
In manchen Gedichten wendet sich der Sprecher direkt an ein „Du“, zum Beispiel in einigen Liebesgedichten; hier wird also ein Adressat/eine Adressatin in den Text einbezogen.

Lyrisches Ich und Erzähler/-in

Beispiel

Heinrich Heine
Du bliebest mir treu am längsten (1822/23)

Du bliebest mir treu am längsten,
Und hast dich für mich verwendet,
Und hast mir Trost gespendet
In meinen Nöten und Ängsten.

Du gabest mir Trank und Speise,
Und hast mir Geld geborget,
Und hast mich mit Wäsche versorget,
Und mit dem Pass für die Reise.

Mein Liebchen! dass Gott dich behüte,
Noch lange, vor Hitz und vor Kälte,
Und dass er dir nimmer vergelte
Die mir erwiesene Güte.


Aus: Heinrich Heine: Buch der Lieder. Frankfurt/M. (Insel) 1978.