Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts entstanden europaweit Bewegungen, die sich in ihren Ländern für die Durchsetzung der Muttersprache gegenüber dem vorherrschenden Latein und Französisch einsetzten. Auch in Deutschland war das Lateinische bis in das 18. Jahrhundert hinein die dominierende Sprache in Literatur und Wissenschaft. Die Tradition zur deutschen „Dichtersprache“ des
Hochmittelalters war abgebrochen, gelehrte Dichtung wurde fast ausschließlich in lateinischer oder französischer Sprache verfasst.
Darüber hinaus kam es während des Dreißigjährigen Krieges (1618–48) zu einer „Verwilderung“ des Deutschen, als die starken regionalen Dialekte sprachliche Einflüsse der verschiedenen ausländischen Streitkräfte (Spanier, Schweden, Franzosen usw.) aufnahmen.
Vor diesem Hintergrund gründeten sich in Deutschland Anfang des 17. Jahrhunderts so genannte Sprachgesellschaften, in denen sich fürstliche Mäzene, bürgerliche Dichter, aber auch Hofbeamte und Gelehrte zusammenfanden. Als Vorbild dienten entsprechende Akademien in Italien und in den Niederlanden, die in der Bildungstradition des
Humanismus standen.
Die deutschen Sprachgesellschaften bemühten sich um die „Reinerhaltung“ und Förderung der deutschen Muttersprache, sowie um die Dichtung in deutscher Sprache. Da die deutsche Dichtung des Mittelalters in Vergessenheit geraten war, bemühten sich die Sprachgesellschaften um die Neuschöpfung einer deutschsprachigen Literatur. Sie bezogen sich dabei auf die ihnen vertraute griechische und lateinische antike Dichtkunst, die sie auf die deutsche Sprache zu übertragen versuchten. Mitglieder der Sprachgesellschaften verfassten dazu so genannte „Poetiken“, in denen sie einen systematischen Überblick über die antiken
Literaturgattungen und stilistisch-rhetorischen Mittel gaben. Sie versuchten damit zu beweisen, dass die deutsche Sprache dem Lateinischen ebenbürtig und zu den gleichen sprachlichen Leistungen in der Lage sei. Maßgebend wurde das von
Martin Opitz 1624 herausgegebene „Buch von der Deutschen Poeterey“. Seine wichtigste Leistung war die Entwicklung einer deutschen
Metrik und Reimlehre nach antikem Vorbild. Das „Buch von der Deutschen Poeterey“ wurde zu einer wichtigen Grundlage der deutschen
Barockliteratur.
Einen weiteren Schwerpunkt der Sprachgesellschaften bildeten die Übersetzungen antiker klassischer Literatur ins Deutsche. Außerdem begann man mit einer systematischen Erfassung des deutschen Wortschatzes und stellte Regeln für Grammatik und Rechtschreibung auf. In diesem Zusammenhang entstand 1691 das erste deutsche Wörterbuch.
Ein wichtiges Anliegen der Sprachgesellschaften war die Bereinigung der deutschen Sprache von fremdsprachigen Ausdrücken. Fremdwörter wurden durch neu erfundene deutsche Begriffe ersetzt, als Folge wurde der deutsche Wortschatz um eine Vielzahl von neuen Wortprägungen erweitert. Insbesondere der Schriftsteller Philipp von Zesen (1619–89) wirkte als „Eindeutscher“ von Fremdwörtern. Zu seinen Schöpfungen, die noch heute zum deutschen Wortschatz gehören, zählen z.B.: Anschrift (für Adresse), Bücherei (für Bibliothek), Augenblick (für Moment), Briefwechsel (für Korrespondenz), Mundart (für Dialekt), Rechtschreibung (für Orthographie) und Verfasser (für Autor). Für ihren übertriebenen Sprachpurismus wurden die Sprachgesellschaften jedoch schon von Zeitgenossen kritisiert und verspottet, beispielsweise für Wortneuschöpfungen wie Zeugemutter (für Natur), Jungfernzwinger (für Nonnenkloster) und Meuchelpuffer (für Pistole).
Die älteste und bedeutendste deutsche Sprachgesellschaft war die 1617 in Weimar gegründete „Fruchtbringende Gesellschaft“, der auch Martin Opitz angehörte. Weitere bekannte Gesellschaften waren die Hamburger „Deutschgesinnte Genossenschaft“ (gegr. 1642), der Nürnberger „Pegnitzorden“ (gegr. 1644) und der Lübecker „Elbschwanenorden“ (gegr. 1660). Ende des 17. Jahrhunderts verloren die Sprachgesellschaften an Bedeutung. Da die Poetiken des Barock im Wesentlichen die antike Dichtungstheorie zum Vorbild hatten, trugen sie wenig zu einer inhaltlich eigenständigen deutschen Literatur bei. Die literarischen Formen und Themen waren sehr stark eingegrenzt. Zudem richteten sich die Dichter, die in Verbindung mit den Sprachgesellschaften standen, vor allem an ein adliges Publikum und grenzte sich von der volkstümlichen Dichtung ab. So entstand eine Kunstpoesie mit geringer Breitenwirkung.
Mit ihrer Übersetzungstätigkeit, ihren Arbeiten zu Rechtschreibung und Grammatik und ihren Bemühungen um Erweiterung und Bereinigung des deutschen Sprachschatzes schufen die Sprachgesellschaften jedoch eine wichtige Grundlage für die weitere Entwicklung einer deutschen Hochsprache und der deutschsprachigen Literatur, die seit dem 18. Jahrhundert erheblichere Bedeutung gewann und immer mehr auch internationale Beachtung fand.