Die Literatur des frühen und hohen Mittelalters lässt sich in zwei große Bereiche unterteilen:
geistliche und
ritterlich-höfische Literatur.
Die Abhängigkeit von einem Verwendungszusammenhang liegt für den breiten und weit verzweigten Strom der geistlichen Dichtung auf der Hand. In den Schreibstuben der Klöster entstand eine Literatur, die sich nur langsam, anfangs in vereinzelten Beispielen, vom Lateinischen löste und die Volkssprache, das so genannte Alt- bzw. Mittelhochdeutsche, verwendete. Sie wandte sich hauptsächlich an den Klerus, darüber hinaus auch an den kleinen Kreis gebildeter Laien, um die christliche Glaubenslehre zu vermitteln und zu festigen.
Im 12. Jahrhundert gewann eine im frühen Mittelalter noch kaum vorhandene weltliche Literatur immer größeren Raum und erlebte am Ende dieses Jahrhunderts eine erste Blütezeit. Sie ist Gesellschaftskunst im Dienst eines Standes, nämlich des Ritteradels: Durch das Erlebnis der ersten Kreuzzüge hatte das Rittertum ein verstärktes Standesbewusstsein gewonnen und entwickelte das Ideal eines christlichen Dienstes voller Kampf und aktiv zu bestehender Gefahren (vita activa). Damit löste es sich von dem bis dahin kulturell dominierenden Klerus, der sich am Leitbild einer kontemplativen Lebensführung (vita contemplativa) orientierte. Die Ritterepen (Ritterromane in gereimten Versen) aus dieser Zeit spiegeln das sich im Adel entwickelnde Tugendsystem (das ritterlich-höfische Ideal) mit festen Verhaltensnormen des höfischen Ritters und der höfischen Dame. Zentrale Bedeutung hatte in diesen
Epen die ritterliche Standesehre. Die Inhalte entstammten hauptsächlich dem
Sagenkreis um König Artus und seiner Tafelrunde.
Geistliche Literatur |
Ritterlich-höfische Literatur |
Formen
- Bibeltexte
- Darstellungen des Lebens Jesu
- Hymnen und Marienlieder
- Legenden
- Gebete
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Formen
- Ritterepen und „Nibelungenlied“
- Minnesang
- politische Spruchdichtung
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Autoren: Kleriker, hauptsächlich Mönche und vereinzelt auch Nonnen |
Autoren: Mitglieder des hohen und niederen Adels, fahrende Sänger |
Adressaten: die gesamte Geistlichkeit, gebildete Laien
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Adressaten: die Gesellschaften auf Burgen und an Höfen, denen die Texte vorgetragen wurden (selbst lesen konnten nur der Klerus und eine kleine Minderheit gebildeter städtischer Patrizier und Mitglieder des Adels, hauptsächlich adlige Damen) |
Sprache: Latein und zunehmend Deutsch |
Sprache: Deutsch |
Wirkungsabsicht: Festigung des christlichen Glaubens, Unterstützung bei der Gestaltung des Gottesdienstes, christliche Weltdeutung |
Wirkungsabsicht: Unterhaltung der höfischen Gesellschaft, Vermittlung von Standesbewusstsein, Anleitung zu einem standesgemäßen Verhalten: Verfeinerung der ritterlichen Ethik und Lebensweise |