Biografie/Autobiografie

Die Biografie (von griech. bios „Leben" und graphein „schreiben") ist eine literarische Darstellung der Lebensgeschichte einer Person, wobei äußere Ereignisse und innere Entwicklungen gleichermaßen Berücksichtigung finden. Je nachdem, ob Genauigkeit und Objektivität überwiegen oder erzählerische, romanhafte Elemente vorherrschen, wird die Biografie mehr der Geschichtsschreibung oder mehr der Dichtung zugerechnet, wobei Mischformen die Regel bilden. Die Biografie weist Berührungspunkte zu Autobiografie, Lebenslauf (Vita), Nekrolog und Memoiren auf.

Autobiografie (von griech. autos „selbst", bios „Leben" und graphein „schreiben") bezeichnet die literarische Darstellung des eigenen Lebens, die aus einer meist übergeordneten Perspektive die innere Entwicklung und äußere Zeitgebundenheit zu einem geschlossenen Ganzen fügt. Im Gegensatz zu Memoiren, die meist stärker auf Umweltgeschehnisse ausgerichtet sind, steht in der Autobiografie die vertiefte Darstellung des geistig seelischen Entwicklungsprozesses im Vordergrund, gestaltet aus der Rückschau, meist von einem abgeklärten, reifen Standpunkt aus. Erst um die Wende zum 20. Jh. bürgerte sich die Bezeichnung im genannten Sinne ein.

Einen wichtigen Platz in der biographischen Literatur des 20. Jh.s nimmt die Roman-Biografie ein. Bedeutende Roman-Biografien schrieben Stefan Zweig („Maria Stuart“, 1935; „Balzac“, 1946), Heinrich Mann und Lion Feuchtwanger.
Gesammelte Kurzbiografien finden sich in verschiedenen internationalen und nationalen Nachschlagewerken, z.B. der Allgemeinen Deutschen Biografie (ADB, 56 Bände).

Verschiedene Arten biografischer Texte

Beispiel Autobiografie

Johann Wolfgang Goethe
Dichtung und Wahrheit (1811–1814)
Auszug

Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt.
Durch Ungeschicklichkeit der Hebamme kam ich für tot auf die Welt und nur durch vielfache Bemühungen brachte man es dahin, dass ich das Licht erblickte. Dieser Umstand, welcher die Meinigen in große Not versetzt hatte, gereichte jedoch meinen Mitbürgern zum Vorteil, indem mein Großvater, der Schultheiß Johann Wolfgang Textor, daher Anlass nahm, dass ein Geburtshelfer angestellt und der Hebammenunterricht eingeführt oder erneuert wurde; welches dann manchem der Nachgebornen mag zugute gekommen sein.
Wenn man sich erinnern will, was uns in der frühsten Zeit der Jugend begegnet ist, so kommt man oft in den Fall, dasjenige, was wir von andern gehört, mit dem zu verwechseln, was wir wirklich aus eigner anschauender Erfahrung besitzen. Ohne also hierüber eine genaue Untersuchung anzustellen, welche ohnehin zu nichts führen kann, bin ich mir bewusst, dass wir in einem alten Hause wohnten, welches eigentlich aus zwei durchgebrochenen Häusern bestand. Eine turmartige Treppe führte zu unzusammenhängenden Zimmern und die Ungleichheit der Stockwerke war durch Stufen ausgeglichen. Für uns Kinder, eine jüngere Schwester und mich, war die untere weitläuftige Hausflur der liebste Raum, welcher neben der Türe ein großes hölzernes Gitterwerk hatte, wodurch man unmittelbar mit der Straße und der freien Luft in Verbindung kam. Einen solchen Vogelbauer, mit dem viele Häuser versehen waren, nannte man ein Geräms. Die Frauen saßen darin, um zu nähen und zu stricken; die Köchin las ihren Salat; die Nachbarinnen besprachen sich von daher miteinander und die Straßen gewannen dadurch in der guten Jahreszeit ein südliches Ansehen. Man fühlte sich frei, indem man mit dem Öffentlichen vertraut war. So kamen auch durch diese Gerämse die Kinder mit den Nachbarn in Verbindung und mich gewannen drei gegenüber wohnende Brüder von Ochsenstein, hinterlassene Söhne des verstorbenen Schultheißen, gar lieb und beschäftigten und neckten sich mit mir auf mancherlei Weise.


Aus: Johann Wolfgang Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Frankfurt/M. (Insel) 2000.