Anekdote

(von griech. anekdoton „nicht herausgegeben")
ursprünglich ein Schriftwerk, das Einblick in das Leben einer Persönlichkeit gab. Es blieb aber unveröffentlicht bzw. wurde heimlich überliefert. Anekdoten wurden und werden auch mündlich erzählt. Im Mittelpunkt stehen dabei meist Originale, bekannte Persönlichkeiten aus Politik oder Gesellschaft.
Im 19. Jh. wandelte sich die Anekdote zu einer epischen Kleinform (Epik), die den Charakter der handelnden Personen und ihren historischen Hintergrund aufzeigen sollte, häufig dialoghaft aufgebaut war und mit einer Pointe endete.
Insgesamt stellt die Anekdote eine literarisch offene Form dar, die sich strengen Regeln entzieht. Der Wahrheitsgehalt einer Anekdote stand von Anfang an nicht im Mittelpunkt. Es kann somit kaum verwundern, dass manche Anekdote mehreren Personen zugeschrieben wird oder sich als historisch falsch erweist.
Zu einer literarischen Form gestalteten die Anekdote Johann Peter Hebel in seinem „Rheinischen Schatzkästlein“ und Kleist.

Beispiel

Heinrich von Kleist
Anekdote (1810)

Bach, als seine Frau starb, sollte zum Begräbnis Anstalten machen. Der arme Mann war aber gewohnt, alles durch seine Frau besorgen zu lassen; dergestalt, dass da ein alter Bedienter kam und ihm für Trauerflor, den er einkaufen wollte, Geld abforderte, er unter stillen Tränen, den Kopf auf einen Tisch gestützt, antwortete: „Sagt's meiner Frau.“ –

Aus: Heinrich von Kleist: Erzählungen. Werke und Briefe in vier Bänden. Hrsg. von S. Streller in Zusammenarbeit mit P. Goldhammer u.a. Bd.3. Frankfurt/M. (Insel) 1986.