eine Form des
Dramas, die sich während der
Aufklärung herausbildete. Voraussetzung dafür war das Erstarken des Bürgertums im 18. Jh. zu einem selbstbewussten Stand, der schließlich auch danach verlangte, seine Prinzipien und Konflikte in der Literatur und auf der Bühne dargestellt zu sehen.
Als Begründer des bürgerlichen Trauerspiels in Deutschland gilt
Lessing, der in „Miss Sara Sampson“ (1755) und „Emilia Galotti“ (1772) die Willkür der absolutistischen Herrscher kritisierte und sich erstmals über die Ständeklausel hinwegsetzte. Bis dahin herrschte seit der Antike die Vorstellung, dass sich in der
Tragödie einzig das Schicksal höherer Standespersonen darstellen lasse, Bürger dagegen nur in der
Komödie als Hauptfiguren auftreten können, da sie zu tragischem Erleben nicht fähig seien. Dennoch bezog sich die Bezeichnung „bürgerlich“ zunächst nicht vornehmlich auf die soziale Herkunft der Personen, sondern hatte die Bedeutung „privat menschlich“, denn es sollte nicht der Adelsstand grundsätzlich angegriffen, sondern die Humanität des Menschen als gesellschaftlich übergreifendes Wertkriterium vorgestellt werden. Anregungen fand Lessing in England, wo der Aufstieg des Bürgertums früher einsetzte. So wie in Frankreich Lessings Vorbild
Denis Diderot eine ähnliche Entwicklung über die Komödie zum ernsten Drama vollzog, verletzte Lessing die Ständeklausel ebenfalls von der anderen Seite: In seinem Lustspiel „Minna von Barnhelm“ (1763) sind die Hauptfiguren Angehörige des Adelsstandes. Auch formal grenzt sich die neue dramatische Form von der höfischen Tragödie ab. Statt der gebundenen Sprache wird nun natürliche Prosa verwendet.
Während im bürgerlichen Trauerspiel der Aufklärung noch eine sittliche Entscheidung des Einzelnen thematisiert wird, führt es der
Sturm und Drang als Sozialdrama fort, das die rücksichtlosen Übergriffe des Adels auf das Bürgertum anklagt oder die Auflehnung des Individuums gegen die Gesellschaftsordnung behandelt. Neben „Der Hofmeister“ (1774) und „Die Soldaten“ (1776) von
Lenz und „Die Kindermörderin“ (1776) von Heinrich Leopold Wagner ist
Schillers „Kabale und Liebe“ (1784) das sprachlich wie dramatisch geschlossenste Formbeispiel.
Bei all den verschiedenen Ausprägungen weist das bürgerliche Trauerspiel das immer wiederkehrende Motiv des verführten Mädchens auf, das mit seinen Gefühlen im Widerspruch zu den gesellschaftlichen Moralvorstellungen steht und an den Folgen seines Fehltritts zerbricht.
Siehe auchKlassisches DramaKomödieTragödie