Ursprünglich bezeichnete der Begriff Neuromantik alle literarischen Strömungen im Zeitraum zwischen 1890 und 1920, die als Gegenbewegung zum
Naturalismus entstanden waren. Die recht unterschiedlichen Stilrichtungen dieser Zeit verlangten jedoch nach einer differenzierteren Begriffszuordnung. Ein Großteil der Werke um die Jahrhundertwende wird heute dem
Symbolismus zugeordnet, eine weitere wichtige literarische Strömung dieser Zeit ist der
Impressionismus.
Als neuromantisch bezeichnet man heute Werke, die um die Jahrhundertwende Themen der
Romantik (wunderbare, nichtalltägliche Begebenheiten, geheimnisvolle, fantastische Ereignisse, Träume, historische Ereignisse, religiöse Themen) aufgreifen. Auch das Interesse an mittelalterlicher Literatur, Legenden, Sagen und Märchen verbindet die neuromantische Bewegung mit der Romantik. Die Neuromantiker orientierten sich auch stilistisch an Werken der Romantik und grenzten sich bewusst von Symbolismus, Jugendstil und der Stimmung des
Fin de Siècle ab. Die entstandenen Werke unterscheiden sich kaum von der Literatur der Romantik.
Neben literarischen Werken, die sich auf die Tradition der Romantik bezogen, wurde die Neuromantik als Bewegung vor allem durch Studien von
Ricarda Huch („Blüthezeit der Romantik“ 1899, „Ausbreitung und Verfall der Romantik“ 1902) geprägt. Das neue Interesse an der Romantik entstand als Reaktion auf die fortgeschrittene Industrialisierung und Ökonomisierung der Gesellschaft, basierend auf einer materialistisch ausgerichteten Weltsicht. Während der Naturalismus gerade das Ziel verfolgte, die gesellschaftlichen Zustände schonungslos und entidealisiert darzustellen, entstand die neuromantische Literatur aus einer Sehnsucht nach einer verlorengegangenen Harmonie und aus dem Bedürfnis einer neuen Mythisierung der Welt. In erster Linie ist der Begriff Neuromantik weltanschaulich zu verstehen.