Kritisch-hermeneutische Interpretation

Das hermeneutische Verfahren kann als übergreifender methodischer Rahmen für alle Arbeitsweisen der Interpretation verstanden werden. Der heute verwendete Begriff der Hermeneutik geht im Wesentlichen auf Wilhelm Dilthey (1833–1911) zurück, der Hermeneutik als „verstehendes“, sinngemäß deutendes Verfahren definierte. Er grenzte diese grundlegende Methode der Geisteswissenschaften von den „erklärenden“ Verfahren der Naturwissenschaften ab.
Hermeneutik beruht im Wesentlichen auf der Verschmelzung von gegenwärtigem Leserhorizont und dem historischen Horizont eines literarischen Werkes. Ein zentraler Begriff dieser Methode des Verstehens ist der hermeneutische Zirkel: Im Verstehensprozess durchläuft die Leserin/der Leser eines literarischen Textes mehrfach den Schritt von der Erkenntnis des Teils zum Erfassen des Ganzen und umgekehrt. D.h. eine Textdeutung führt vom Ganzen zu den Einzelheiten, von den Einzelheiten zurück zum Ganzen und so fort. Wenn ich den Text als Ganzes nicht verstanden habe, verstehe ich nicht die Einzelheiten (einzelne Textstellen und Strukturmerkmale), und umgekehrt. Das Textverständnis wird mit jedem Durchlaufen des Zirkels differenzierter, klarer und begründeter. An Stelle des Bilds vom Zirkel könnte man daher auch das Bild der Spirale verwenden.

Interpretationsmethoden im Überblick