Elegie

(von griech. élegos „Klagelied")
eine lyrische Gattung, bei der ein thematisch beliebiges Gedicht in elegische Distichen gegossen wird, um eine resignierend-wehmütige Stimmung auszudrücken. In der griechischen Antike wurden Elegien zu vielfältigen Themen verfasst. In der römischen Dichtung findet sich eine zunehmende inhaltliche Einengung zunächst auf die Thematik der Liebessehnsucht; bei Tibull, Properz und Ovid wird sie zum reinen Klagelied.
Durch Martin Opitz fand die elegische Dichtung Eingang in die deutsche Literatur. Allerdings rückte er den Inhalt der Elegie in den Mittelpunkt und schrieb vielfach nostalgische Klagelieder. Erst im Zeitalter der Empfindsamkeit schuf Friedrich Gottlieb Klopstock mit dem Rückgriff auf antike Vorbilder die Grundlagen für eine weite Verbreitung des elegischen Distichons in Deutschland. Darauf bauten in der Klassik  Goethe und Schiller auf, die mit dem Elegischen in der Dichtung vor allem die Trauer über den Widerspruch zwischen Ideal und Leben betonen wollten. Den Anfang bildeten Goethes „Römische Elegien“ (1795). Um die darin enthaltenen Tabu-Verletzungen zu verschleiern, entschied sich Goethe ganz bewusst gegen den ursprünglichen Titel „Erotica Romana“: „Lass dich, Geliebte, nicht reun, dass du mir so schnell dich ergeben!/Glaub es, ich denke nicht frech, denke nicht niedrig von dir“ (Elegie III). In der „Marienbader Elegie“ (1823) verarbeitete der alte Goethe seine unglückliche Liebe zu der 17-jährigen Ulrike von Levetzow. Den Höhepunkt dieser lyrischen Gattung in Deutschland bilden die Elegien philosophischen Inhalts von Hölderlin, in denen mit der Klage über die Götterferne in der Gegenwart die Hoffnung auf ein goldenes, zukünftiges Zeitalter verbunden wird (u.a. „Der Wanderer“, „Brot und Wein“).
Die elegische Dichtkunst wurde im 20. Jh. Durch verschiedene Dichter weitergeführt. Zu ihnen gehören sowohl Rilke („Duineser Elegien“) als auch Brecht mit seinen „Buckower Elegien“, die nach dem Volksaufstand in der DDR entstanden.

Beispiel 1 (mit metrischer Notation)



Zitiert nach: Burkhard Meyer-Sickendiek: Affektpoetik - Eine Kulturgeschichte literarischer Emotinen. Würzburg (Königshausen und Neumann) 2005.

Beispiel 2

Friedrich Hölderlin
Heidelberg (1801)

Lange lieb ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,
Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,
Du, der Vaterlandsstädte
Ländlichschönste, so viel ich sah.

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,
Schwingst sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,
Leicht und kräftig die Brücke,
Die von Wagen und Menschen tönt.

Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst
Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging.
Und herein in die Berge
Mir die reizende Ferne schien,

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,
Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,
Liebend unterzugehen,
In die Fluten der Zeit sich wirft.

Quellen hattest du ihm hattest dem Flüchtigen
Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn
All ihm nach, und es bebte
Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

Aber schwer in das Tal hing die gigantische,
Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,
Von den Wettern zerrissen;
Doch die ewige Sonne goss

Ihr verjüngendes Licht über das alternde
Riesenbild, und umher grünte lebendiger
Efeu; freundliche Wälder
Rauschten über die Burg herab.

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,
An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold
Deine fröhlichen Gassen
Unter duftenden Gärten ruhn.


Aus: Friedrich Hölderlin: Sämtliche Gedichte. Hrsg. von D. Lüders. Bad Homburg (Athenäum) 1970.