Knittelvers

ein gereimter Vers mit freiem Auftakt, vier Betonungen und freien Füllungen.
In einem Versfuß können auf eine betonte Silbe also ein oder zwei unbetonte Silben folgen. Am Versende kann eine betonte Silbe (männliche Kadenz) oder eine unbetonte Silbe (weibliche Kadenz) stehen. Die Freiheit bei den Füllungen hat dem Knittelvers im 17./18. Jahrhundert eine gewisse Verachtung und schließlich auch den abschätzigen Namen („Knittelvers“ bedeutet etwa „schlampiger Vers“) eingetragen. Verwendet wurde er nur noch in volkstümlicher Dichtung sowie für volkstümlich-naive Wirkungen in Parodien, Satiren und Spottliedern.

Erläuterung des Beispiels - graphische Wiedergabe des Versmaßes

Beispiel

Johann Wolfgang Goethe
Faust I (1806)
Auszug

Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie!
Durchaus studiert mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Schüler an der Nase herum –
Und sehe, dass wir nichts wissen können!
Das will mir schier das Herz verbrennen.

Aus: Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Hrsg. von Erich Trunz. Bd. 3: Dramatische Dichtungen. München 1998.