Literatur in der BRD: Trümmerliteratur (1945–1950)In den Westzonen bzw. der Bundesrepublik Deutschland beherrschten zunächst keineswegs die zurückkehrenden
Exilautoren die literarische Szene. Zu ihrer Enttäuschung waren ihre Erfahrung und ihr Beitrag beim Aufbau einer neuen demokratischen Kultur nicht gefragt. Das Interesse des Lesepublikums wandte sich stärker den Schriftstellern der so genannten
„inneren Emigration" zu. Eine Ausnahme bildete
Thomas Mann, der zwar auch politischen Verdächtigungen und Anfeindungen ausgesetzt war, dessen Werk aber in den 1950er-Jahren fester Bestandteil des Literaturkanons wurde und als deutscher Beitrag zur Weltliteratur galt. Die neue Generation der Nachkriegsautoren sah sich vorerst außer Stande, Bilanz ziehende
Romane, wie sie in der
Weimarer Republik entstanden waren, vorzulegen. Ihre bevorzugte Form war die
Kurzgeschichte in Anlehnung an die amerikanische short story. Diese Form ermöglichte knappe Wirklichkeitsausschnitte, Bestandsaufnahmen der in Trümmern liegenden Alltagswelt. Der Begriff der
Trümmer- oder Kahlschlagliteratur wurde dafür geprägt.
Literatur in der BRD: 1950er JahreEinige der Nachkriegsautoren trafen sich mit Kritikern einmal jährlich zu Lesungen und Diskussionen; aus diesen Treffen entwickelte sich die so genannte
Gruppe 47, die bis zu ihrer Auflösung 1967 großen Einfluss auf das literarische Leben in der Bundesrepublik hatte. Diese ganz informelle Gruppe, die sich nie als Verband oder Verein verstand, bildete so etwas wie ein Zentrum literarischer Opposition gegen die gesellschaftliche Restauration in der Adenauer-Ära. Die Zeit der kritischen Auseinandersetzung mit der politisch-sozialen Entwicklung in Westdeutschland und die Aufarbeitung der
nationalsozialistischen Vergangenheit begann auf breiter literarischer Front erst Ende der 1950er-Jahre. 1959 erschienen „Billard um halb zehn" von
Heinrich Böll und „Die Blechtrommel" von
Günter Grass, zwei
Romane, die Zeitkritik und moderne Erzähltechnik verbanden. Vorläufer dieser Neuentwicklung in der Literatur der BRD waren die Romane
Wolfgang Koeppens zu Anfang der 1950er-Jahre. Ansonsten wendete sich die Literatur dieses Jahrzehnts von gesellschaftlich-politischen Fragen, von der zeitgenössischen Wirklichkeit ab. Tonangebend in der
Lyrik war
Gottfried Benn, der eine Zeit lang mit dem Nationalsozialismus sympathisiert hatte und nun in der Abkehr von allem Politischen ein Bekenntnis zum
„absoluten Gedicht" ablegte: Im absurden Lauf der Geschichte leuchte sinnhaft nur das dichterische Wort auf. Ergänzt wurde diese Tendenz durch ein bildmächtiges, expressionistischen Traditionen verhaftetes Sprechen im Gedicht und durch die optisch bzw. akustisch mit dem Material der Sprache spielenden Gebilde der
konkreten Poesie. Auch auf dem Gebiet des
Dramas stand das avantgardistische Formexperiment im
absurden Theater mit seinen witzig-grotesken Szenarien und Ritualen im Vordergrund.
Literatur in der BRD: 1960er JahreDie um 1960 einsetzende
Politisierung der Literatur zeigte sich nicht nur in den zeitkritischen
Romanen einiger Autoren der
Gruppe 47, die damit der neuen deutschen Literatur auch international Ansehen verschafften, sondern auch in der
Lyrik und im
Drama. Das
politische Gedicht gewann wieder wie in den 1920er-Jahren, zur Zeit der „
Neuen Sachlichkeit", an Bedeutung. Eines der Vorbilder für diese Art von gesellschaftlich engagierter Dichtung, das Werk
Bertolt Brechts, wurde nun in Westdeutschland zur Kenntnis genommen, die Brecht'schen Stücke setzten sich auf den Theaterspielplänen durch und wurden wie die Werke anderer aufklärerisch-gesellschaftskritischer Autoren der
Weimarer Zeit und des
Exils zur Schullektüre. Neben Brechts Stücken hielten zwei weitere Neuerungen auf den Bühnen Einzug: das politische
Dokumentartheater, in dem zeitgeschichtliche Themen unter Verwendung von authentischem Material aufgearbeitet wurden, und das
kritisch-realistische Volksstück. Zum ersten Mal wandte sich eine Gruppe von Autoren auch gezielt der Arbeitswelt zu, den Fabriken und Großraumbüros, die bis dahin in der Literatur kaum thematisiert worden waren (Dortmunder Gruppe 61). Ende der 1960er-Jahre erreichte dieser Politisierungsprozess seinen Gipfelpunkt; in dem von
Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Kulturmagazin „Kursbuch" wurde der Tod der politisch ohnmächtigen Literatur verkündet und zur direkten gesellschaftsverändernden Aktion aufgerufen.
Literatur in der BRD: Neue Subjektivität (1970–1980)In den 1970er-Jahren, in denen es der sozialliberalen Regierung gelang, die rebellischen Kräfte der APO (Außerparlamentarische Opposition) und der Studentenbewegung aufzufangen, setzte sich eine neue literarische Tendenz durch. Die nüchterne Erkenntnis, dass eine gelungene Synthese von Demokratie und Sozialismus, die Leitbild des Engagements in den 1960er-Jahren gewesen war, vorerst bloße Utopie blieb, führte zu einer Rückbesinnung auf das eigene Ich, zu einer
neuen Subjektivität der Literatur. Romane der Selbstfindung und verschiedene Formen autobiografischen Schreibens bestimmten die literarische Szene. Wichtige Impulse gingen dabei von den Schriftstellerinnen der neuen Frauenbewegung aus, die in einer dritten Welle nach der Zeit des
Vormärz und der Jahrhundertwende für die Emanzipation der Frau auf allen Lebensgebieten kämpfte. Im Bereich der Lyrik war die Zeit des politischen Gedichts und der Protestsongs der Liedermacher vorbei. Erfahrungssplitter und persönliche Impressionen wurden in so genannten Alltagsgedichten thematisiert.
Literatur in der BRD: Postmoderne (ab 1980)In den 1980er-Jahren setzte sich die Tendenz, die eigene Lebensgeschichte schreibend zu verarbeiten, in Werken fort, in denen eine Auseinandersetzung mit der Väter-Generation stattfand („Väter-Literatur"). Das auffallendste Schlagwort für die Literatur dieser Zeit war indessen
„Postmoderne", ein schillernder, vom Wortsinn her paradox erscheinender Begriff. Gemeint ist damit, dass in der jüngsten Zeit die geistigen und kulturgeschichtlichen Erscheinungen, die Kennzeichen der Moderne waren, keine prägende Kraft mehr haben. Ein einheitliches Sinn stiftendes Zentrum, wie es seit der
Aufklärung z.B. das „Subjekt" als Bezugspunkt aller Literatur gewesen war, scheint aufgegeben worden; auch die für die Moderne kennzeichnenden avantgardistischen Bewegungen, die mit ihren Provokationen auf Kritik am Bestehenden, auf Reflexion und Änderung der Zustände abzielten, scheinen ihren Reiz verloren zu haben. Typisch für die als postmodern aufgefasste Literatur ist das Spiel mit tradierten Mustern, Mythen und Motiven. So lässt zum Beispiel
Patrick Süskind in seinem
Roman „Das Parfum" den
auktorialen Erzähler des 19. Jahrhunderts auferstehen, ohne damit an literarische Konzepte dieser Zeit anknüpfen zu wollen. In der
Lyrik ist man, nachdem das moderne Gedicht zu einer nur vom individuellen Ausdruck bestimmten freien Form gefunden hatte, zu den traditionellen Gestaltungsmitteln gebundener Sprache,
Reim und
Metrum, zurückgekehrt, sieht darin aber etwas Spielerisch-Komisches. Bewusst gegen den Geist der Moderne gerichtet sind die Versuche einzelner Schriftsteller, ein letztlich
romantisches Verständnis von Dichtung wieder aufleben zu lassen und einen neuen alten Ton des Erhabenen und Schönen anzuschlagen (
Botho Strauß,
Peter Handke).