Literatur in der DDR: Aufbauliteratur (1949–1964)In der sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR wurde die Literatur zunächst über einen längeren Zeitraum nachhaltig von den zurückkehrenden Emigranten beeinflusst (
Anna Seghers,
Bertolt Brecht,
Ludwig Renn,
Johannes R. Becher, u.a.).
Es gab keine Diskussion um die „Stunde Null", stattdessen stand die Literatur – noch bis weit in die 1960er Jahre hinein – hauptsächlich im Zeichen der Auseinandersetzung mit dem Faschismus.
Der größte Teil der Literatur der 1950er- und der frühen 1960er-Jahre gehört zur so genannten
Produktionsliteratur. Dabei kann man zwei Entwicklungsphasen unterscheiden: die
Aufbauliteratur der 1950er- und die
Literatur des Bitterfelder Weges Anfang der 1960er-Jahre.
Der 3. Parteikongress der SED 1953 forderte von der Literatur eine Orientierung am Aufbau des neu gegründeten DDR-Staates. Der positive Arbeitsheld sollte im Mittelpunkt der Werke stehen, die Literatur hatte die Aufgabe, Arbeitsfreude und Optimismus zu vermitteln.
Nach der 1. Bitterfelder Kulturkonferenz 1959 entwickelte sich die zweite Phase der Produktionsliteratur, die Literatur des Bitterfelder Weges. Die Arbeiter selbst wurden zum Schreiben ermuntert unter der Losung „Greif zur Feder, Kumpel – die sozialistische Nationalliteratur braucht dich!" (Alfred Kurella). Berufsschriftsteller forderte man auf, sich durch Betriebsaufenthalte stärker als bisher mit der realen Arbeitswelt vertraut zu machen und darüber zu schreiben.
Als verbindlicher Schreibstil galt seit Beginn der 1950er-Jahre der
sozialistische Realismus mit Prinzipien wie: direkte Widerspiegelung der gesellschaftlichen Realität, Verständlichkeit der Literatur für jedermann, Darstellung einer positiven Zukunftsperspektive. Bestimmend waren dabei die dargestellten Inhalte, während die Form völlig untergeordnet sein sollte.
Literatur in der DDR: Ankunftsliteratur (1964–1971)Im April 1964 fand die 2. Bitterfelder Konferenz statt, als deren Folge der
Bitterfelder Weg nicht fortgesetzt wurde. In der Entwicklung der DDR war zu Anfang der 1960er-Jahre eine tief greifende Zäsur zu verzeichnen: das Ende der Aufbauphase des Sozialismus und der Beginn der entwickelten sozialistischen Gesellschaft. So wurde nach dem Bau der Mauer in der Landwirtschaft die Kollektivierung abgeschlossen und in der Industrie schritt der Prozess der Verstaatlichung voran. Unter den Schriftstellern meldete sich jetzt verstärkt die junge Generation zu Wort, die in der DDR aufgewachsen war. Es entstanden Werke, die kritisch angelegt waren und oftmals die Eingliederung Jugendlicher in die Gesellschaft sowie das alltägliche Leben in der DDR beschrieben.
Brigitte Reimanns (1933–1973) programmatische Erzählung „Ankunft im Alltag" (1961) gab dieser Literatur den Namen
Ankunftsliteratur. Die Kritik der Parteiführung konnte nicht verhindern, dass sich eine Generation junger Lyriker entwickelte, die eigene Wege beschritt. Diese Lyrikergeneration nahm die Parolen der Partei beim Wort, fragte ungeduldig nach der Verwirklichung der kommunistischen Ideale und erinnerte immer wieder an den marxistischen Traum von einer herrschaftsfreien Gesellschaft. Bevorzugte Themen der Lyrik waren das Verhältnis des Menschen zur Natur, die wissenschaftlich-technische Revolution, der Mauerbau, die Unterordnung des Individuums unter die Ansprüche der Gesellschaft, Hoffnung und Realisierung der kommunistischen Ideale, aber auch diesbezügliche Resignation, die Rolle der Stasi, das Konsumdenken und nicht zuletzt das Thema Liebe.
Literatur in der DDR: 1970er und 1980er JahreMit dem Machtwechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker im Jahre 1971 vollzog sich auch eine Wende in der Kulturpolitik der DDR. In der Folgezeit kam es zu einer
Liberalisierung in der Literaturpolitik. Mit der
Ausbürgerung Wolf Biermanns 1976 endete diese Periode. Die Repressalien gegenüber kritischen Schriftstellern verstärkten sich.
Christa Wolf konnte man auf Grund ihrer Popularität das Wort nicht verbieten, sie publizierte weiterhin.
Stefan Heym, Kurt Bartsch, Adolf Endler, Erich Loest u.a. wurden 1979 aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Reiner Kunze war es bereits 1976 so ergangen. Angesichts solcher Bedingungen verließen über 100 Schriftsteller die DDR, u.a.
Sarah Kirsch,
Reiner Kunze,
Günter Kunert,
Jurek Becker,
Monika Maron,
Erich Loest.
In den 1980er-Jahren entstanden in der DDR trotz aller Hindernisse und Repressalien wichtige Werke, die im Schwerpunkt folgende Themen behandelten: wachsendes Katastrophenbewusstsein angesichts der fortschreitenden Umweltzerstörung, Angst vor atomarer Bedrohung, gesellschaftliche Widersprüche und Rückzug in die Innerlichkeit. Ähnliche Tendenzen gab es auch in der Bundesrepublik, sodass man schon vor der Wiedervereinigung eine Annäherung der beiden deutschen Literaturen beobachten kann.